…der erste Sonntag – Mai 2022

An unserem ersten Sonntag in Fes hatten wir uns mit M zu einer Tour durch die Medina (Altstadt) verabredet. Wir trafen uns um halb elf vor dem Haupttor, dem „Blauen Tor“. Es wurde 1913 erbaut. Das frühere Haupttor befindet sich links davon, ist ein paar Jahrhunderte (9) älter und etwas kleiner. Die Stadtmauer hat 14 Tore und 17 km Länge.

Die Medina besteht aus zwei Teilen: Der „Andalusische Teil“, der ca 813 von aus Spanien vertriebenen Andalusiern gebaut wurde und dem Tunesischen Teil, der etwa zur gleichen Zeit von Einwanderern aus Tunesien gebaut wurde. Die beiden Teile werden durch den kleinen Fluss Fes geteilt, aber mittlerweile nicht mehr von Mauern getrennt, sondern darüber Brücken verbunden.

Durch die Medina gib es zwei „Hauptstraßen“, die „Small Slope“ und die „Big Slope“ und etwa 900 kleine Quersträßchen… Unter der Medina soll es über 60 Quellen geben, durch die es in der Medina angenehm kühl ist. Zudem gibt es über 80 öffentliche Brunnen, wo sich jeder Wasser holen kann! In der Medina gibt es drei wichtige Heiligtümer, über zwanzig theologische Schulen/Unis. Die Universität „al-Qarawiyin“ begann 859 als Koranschule und ist die älteste Bildungseinrichtung der Welt. Sie wurde von der Kaufmannstochter Fatima al-Fihri gegründet. Sie verwendete ihr ganzes Erbe darauf verwendete diese Einrichtung zu gründen um den Menschen Bildung zukommen zu lassen. Die Uni hat 14 Tore, eines davon ist speziell für die Studentinnen.
Es gab soviel zu entdecken in der Medina, so viele Marktstände, von denen eigne uns an die Märkte in Russland erinnerten. So viele schöne Sachen, viel Handwerk, aber auch Leckereien. Kupferschmiede, Schreiner, Schneider, Bäcker, Fleischer mit Kamel- und Ziegenfleisch. Eine „Pharmacie“, ein Ort an dem Gewürze für die Küche, Kräuter zu Ölen und Salben für die Kosmetik und auch für die Medizin zubereitet wurden, war sehr beeindrucken. Und immer wieder so viele geschichtliche Informationen zu den Häusern und Plätzen der Median, auch über die sich zwischen den „Marktstaßen“ befindenden Wohnstraßen.

Eine Weberei besuchten wir auch. Da werden so tolle, schöne Stoffe aus NUR natürlichen „Zutaten“ gewoben und verarbeitet. Aus zähen Kaktusblättern werden Fasern gewonnen, diese gefärbt und zusammen mit Wolle und Baumwolle verwoben. Die Baumwolle bildet die Kettfäden (längs) die Wolle und Kaktusfäden bilden die Schussfäden (Querfäden).

Beeindruckend war auch die kurze Führung durch die seit dem 11. Jahrhundert bestehenden Gerberei/Färberei. Seit Jahrhunderten wird hier aus Tierhäuten Leder gemacht. Der Führer erklärte uns, dass keine Chemikalien verwendet würden. Als erstes kämen die Häute in eine Lösung mit Klakstein. Diese würde die Haare und die restlichen nicht brauchbaren Sachen von der Hat lösen. Danach kommen die Häute in ein Bad, das das Leder weich macht. Danach in die „Farbtöpfe“ mit nur natürlichen Färbemittel. Mohnblumen für rote Farbe, Henna für braun, Minze für grün, Indigo für blau (die anderen habe ich vergessen). Die Häute liegen 5-6 Wochen in den verschiedenen Lösungen und müssen täglich bewegt werden. Danach werden sie aufgehängt, damit sie weitere 4-6 Wochen trockenen können….

Bei der Führung durch die Gerberei in der Altstadt, war es nicht nur das Ziel des Führers uns den Ablauf der Arbeit zu erklären, sondern, wenn möglich auch etwas zu verkaufen 😉 Es gab auch so viele schöne Dinge aus Leder. Das meiste davon aus Ziegen- und Kamelleder, was viel haltbarer und weicher sei, als Rinds- oder Schafsleder. Da ich (Fränzi) aber schon in der Weberei etwas mehr als mein Taschengeld ausgegeben hatte, entschuldigten wir unser „Nicht-kaufen“ damit, dass wir kein Geld mehr mit hätten. „Das macht gar gar nichts“, meinte der nette junge Mann, mit dem Bezahlen können man sich arrangieren. Sie nähmen auch Karten, oder sie brächten den Einkauf auch ins Hotel, dann könnten wir es über das Hotel abrechnen. Nach ein paar Augenblicken meinte er schmunzelnd, aber die beste Art des Bezahlens sei: „Die Frau kauft schöne Dinge ein und der Mann geht ein paar Wochen in der Gerberei arbeiten….“

Immer wieder begegnet diesen besonderen Türen, vor allem in alten Häusern. Auf meine Frage nach dem „Warum“, bekam ich folgende Erklärung:
Sie sehen aus wie Schlüssellöcher, weil hinter den Türen ist das Paradies. Wer den passenden Schlüssel hat, hat Zugang zum Paradies….
Das ist umso verständlicher, wenn man bedenkt, dass zu diesem Haustyp, dem „Riad“, ein Innenhof mit einem Brunnen und meist auch einem kleinen Garten gehört. Zudem bedeutet „Riad“ Paradies…

Das „blaue Tor“ von der Rückseite… …und da ist es grün 😉 Links davon „unser Medina-Lieblings-Kaffee“ mit hübscher Terrasse, die wir aber erst nächstes Mal ausprobieren werden…